Wildern in fremden Gefielden

Man könnte es als Witz abtun, wenn es nicht bitterernst wäre. Der Berufsverband der Frauenärzte hält zur Zeit einen Fortbildungskongreß in Düsseldorf ab unter dem Motto "Der Frauenarzt - Hausarzt der Frau". Im Mittelpunkt des Kongresses steht der primärärztliche Versorgung durch den Frauenarzt - was immer man darunter auch verstehen mag.

Gerade hat sich die Gesamtärzteschaft, unter heftigen Nachwehen und ständigem Nachkartellen des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI), von der hausärztlichen Versorgung der Internisten verabschiedet - natürlich unter Wahrung der erworbenen Besitzstände schon niedergelassener Kollegen -. Schon reklamieren die Gynäkologen die sektorierte hausärztliche Versorgung für sich, und hinter vorgehaltener Hand, wird von den Urologen das Gleiche nun auch für das männliche Geschlecht gefordert. BDI-"Präsident" Prof. Wildmeister wiederum fordert ganz offiziell Hausarztstatus auch für überwiegend sektoriell arbeitende Internisten.

Nun könnte man ja als Allgemeinarzt bei einem solchen Schwachsinn und Tohuwabohu kommentarlos zur Tagesordnung übergehen, wenn nicht beide Fachgruppen an einer permanenten ärztlichen Überversorgung litten und daher schon allein aus Existenzgründen nach neuen Betätigungsfeldern suchen müßten.

Hier bestätigt sich die seit langem vom BDA beklagte Überproduktion an Fachärzten, insbesondere in den operativen Fächern Gynäkologie, Urologie, Chirurgie aber auch Innere Medizin. Wäre es da nicht klüger gewesen, einen Teil dieser Stellen als Wechselassistentenstellen für angehende Allgemeinärzte offenzuhalten? Nein, diese Kraft hatte die Ärzteschaft nie besessen und um die im eigenen Fachgebiet redundanten Kollegen nicht auf der Straße stehen zu lassen, mußte der Zugang zur hausärztlichen Versorgung über den nichtqualifiziert weitergebildeten "Praktischen Arzt" mit allen Mitteln, aber wider jede Vernunft und Versorgungsqualität, offengehalten werden. Das zeigt der verzweifelte Kampf für die Pflichtweiterbildung in der Allgemeinmedizin seit Anfang der 70er Jahre bis heute.

Kaum ist dieses Überlaufventil - nicht zuletzt auf Druck der Politik - gestopft, wird eine neue strategische Front gegen die Hausärzte aufgebaut.

Es ist schon ein Hohn, von "Facharztstandard" zu reden, aber sich andererseits auf einem Fachgebiet (Allgemeinmedizin) zu betätigen, von dem man in seiner Weiterbildung kein Sterbenswörtchen gehört hat, geschweige denn irgendwelche praktische Erfahrung hat sammeln können.

Wie wäre es mit einem postgraduierten Kurs von zehn Doppelstunden als "Schnellbesohlung" für hausärztliche Kompetenz des Frauenarztes? Das Zertifikat des Bundesverbandes der Frauenärzte ist Ihnen gewiß!

Spätestens beim Notdienst in der Nacht und an Wochenenden/Feiertagen ist man wieder sektoral arbeitender Facharzt mit eigenen nicht frequentierten Fachdiensten. Weil man sich beim unausgelesenen Patientengut jedweden Alters und Geschlechtes und bei Notfällen erst recht, medizinisch fachlich überfordert fühlt. Dafür haben wir ja die echten Hausärzte als "Treppenterriere", die froh sein dürfen, die Brotkrümel zu verspeisen, die vom Herren/Damen - Fachärzte - Tische fallen. Nein, dieser arroganten Anmaßung muß jetzt ein Riegel von Kammer(Berufsordnung), KV (Gebietsbegrenzung und Versorgungsqualität) und Politik (Schutz des Patienten) vorgeschoben werden. Wann endlich wird unseren Facharztkollegen vom Schlage Frau Enderer - Steinforth, (Stellv. Vorsitzende des Landesverbandes Nordrhein im Berufsverband der Frauenärzte), endlich klar, daß die Allgemeinmedizin ein eigenständiges Fachgebiet darstellt, mit einem klar definierten Versorgungsauftrag im Sozialrecht. Es kann nicht als Steinbruch der Existenzsicherung der sektoralen Fachgebiete mißbraucht werden.

Im übrigen hatten gerade die Verantwortlichen bei den Frauenärzten, aber auch in allen anderen operativen Fächern (Urologie, Orthopädie, HNO) Gelegenheit genug, sich mit den neuen gesetzlichen Vorgaben aus dem bis jetzt bekannten Strukturgesetz 2000 der Rot/Grünen Koalition vertraut zu machen. Danach sollen nicht nur die Krankenhäuser für die ambulante Behandlung bei besonderen Problemstellungen geöffnet werden, sondern die niedergelassenen Fachkollegen dürfen ihre Patienten während eines eingeschränkten Zeitraums stationär behandeln.

Um dieses überhaupt fachlich zu können, muß sicherlich der überwiegende Teil der niedergelassenen Fachkollegen nachgeschult werden, da sie ihre eigentliche Hauptaufgabe, nämlich die operative Tätigkeit, seit der Niederlassung nicht mehr ausgeübt haben. Man kann dies auch ganz einfach ausdrücken: Spezialärztliche Fachkenntnisse sind durch überwiegende Primärbehandlung, also nicht auf gezielte Überweisungen hin, verschüttet worden. Werden diese Schätze wieder geborgen, brauchen die Gynäkologen sich nicht als Hausärzte zu verschleißen. Schuster bleib bei deinen Leisten.

Eckhard Brüggemann (4.3.99)



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