Kampf um Hausarztziele jetzt mit härteren Bandagen

Streit zwischen KBV und BDA über Gesundheitsreform

Offensichtlich wie ein Stachel im Fleisch des KBV - Vorstands sitzen die jüngsten BDA- Erklärungen vom Dezember 1998 zum "KBV - Aktionstag" und die BDA - Gesamtvorstands- resolutionen vom Januar 1999 (vgl. dazu auch Der Allgemeinarzt 20/1998 S.1968 und 1/91999 S.107). Diese beiden in Form und Inhalt eher gemäßigten Stellungnahmen des BDA zur KBV - Politik - man möge sich die Stimmung an der hausärztlichen Basis erst einmal anhören – haben den KBV - Vorstand dazu veranlaßt, eine fünfseitige Rechtfertigung vergangener Versäumnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren. Der BDA hat in einer detaillierten Stellungnahme zu den zum Teil falschen und auch gesetz- widrigen Argumenten der KBV ausführlich Stellung bezogen, so daß es sicherlich angebracht ist, ganz grundsätzlich das Verhältnis der KBV zum BDA zu analysieren.

Grundsätzliches zum Verhältnis der KBV zum BDA

Die Konstruktion und Zusammensetzung der KVen und KBV haben sich überlebt, sie sind den veränderten Anforderungen in ihrer jetzigen personellen und administrativen Ausgestaltung nicht mehr gewachsen. Folglich nimmt die Unzufriedenheit unter den Zwangsmitgliedern dieser Körperschaften öffentlichen Rechts ständig zu. Stellvertretend für einige andere Bereiche muß an dieser Stelle die Hausarzt-/Facharzt-Problematik genannt werden, da sich hier die mangelnde Flexibilität und fehlende weitsichtige, strategische Politik wie in einem Brennglas fokussieren. Durch ein obsoletes Persönlichkeitswahlrecht, durch dominierende Facharztmehrheiten und ein oft pseudodemokratisches Abstimmungsverhalten der KBV - Vertreterversammlungen - fast immer haben eigene egoistische Ziele der Fachgruppen Vorrang vor dem Wohl des Ganzen, die Politik der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) ist hierfür ein klassisches Beispiel - hat sich die Vertragsärzteschaft inzwischen so entzweit, daß das neuerliche Gesprächsangebot der KBV:" Die KBV bietet dem BDA deswegen erneut Gespräche zur Abstimmung eines gemeinsamen Vorgehens in der Debatte um die Gesundheitsreform an", nur als diplomatische Luftbuchung bezeichnet werden kann. Eine ärztliche Organisation, die es seit 30 Jahren - soweit reicht die Erfahrung des Autors - zugelassen hat, daß die hausärztliche Versorgungsebene finanziell und personell immer mehr und mit wachsender Dynamik ausgedünnt wird, hat aus BDA - Sicht in seiner jetzigen Form ausgedient.

Reform der KBV an Haupt und Gliedern nötig

Eine Strukturreform an Haupt und Gliedern ist eben nicht nur in der ambulanten Gesundheits- versorgung, sondern auch bei den KVen bzw. bei der KBV vonnöten. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Erst hat die Facharztmehrheit gezielt den "BDA - Mann" Lothar Wittek nicht mehr in den KBV - Vorstand gewählt, dann hat man den "BDA - Mann" Peter Sauermann nicht mehr zum Vorsitzenden des KBV-VV gewählt, um dann den Vorstand mit " auch BDA -Mitgliedern" zu bestücken, die diesem Verband und seiner Politik so nahestehen, daß zwei von ihnen konsequenterweise ihren Austritt aus dem BDA öffentlich erklärt haben. Eigentlich kann man an dieser Situation von Seiten des BDA nur froh sein, denn diese Kollegen können jetzt nicht mehr als Alibi für BDA - Repräsentanz im Vorstand gelten. Denn den BDA unterstützt haben die Kollegen Bausch, Weisner und Pötsch ja seit Jahren schon nicht mehr.

KBV - Vorstand ist "hausarztfreie Zone" geworden

Und so schließt sich der Kreis. Der KBV - Vorstand ist eine BDA - freie, also hausarztfreie Zone geworden. In den Vertreterversammlungen und den Gremien haben jetzt ausschließlich die Fachärzte das Sagen. Und genau so stellt sich deren Politik auch dar. Die Erfahrung aus 27 Jahren hausärztlicher Betreuung lehrt, daß es noch niemals vorher ein solches Versorgungs- Chaos, eine solche Ressourcenvergeudung, eine solche " Facharzt-Mafia", eine solch kollegiale Desavouierung der Hausärzte z.B. durch GFB - Äußerungen, eine solche schamlose Anti - Hausarzt - Politik der fachärztlichen Berufsverbände gegeben hat. Dabei pfeifen es die Spatzen von den Dächern. " Ohne eine flächendeckende hausärztliche Versorgung, deren Finanzierung auch gesichert ist, wird die Medizin unbezahlbar, auch für ein so reiches Land wie die Bundesrepublik."

Beispiel Berlin: nur noch 30% Hausärzte

Bestes Beispiel für diese verfehlte Politik der KBV ist Berlin. Nur noch ca. 30% der nieder- gelassenen Ärzte sind Hausärzte, 70% Spezialisten. Von den Hausärzten wiederum hat sich ein großer Teil subspezialisiert (z.B. Psychotherapie), weil anders ein Überleben nicht möglich ist. Der Honoraranteil der Hausärzte am Gesamthonorar liegt weit unter 30%. In dieser Stadt mit einer absoluten Facharztüberversorgung, gibt es die größten Krankenhausambulanzen, die meisten Krankenhausbetten pro Einwohner und die häufigsten Selbsteinweisungen. Die Kran- kenkassen sind pleite und die Zufriedenheit der Patienten ist weitaus schlechter als in Gegen- den mit einer angemessenen hausärztlichen Versorgung. Diese sich seit drei Jahrzehnten an- bahnende Entwicklung ist weder durch die Selbstverwaltung korrigiert, meist sogar bewußt gefördert, noch durch die halbherzige Politik der alten Koalition gestoppt worden. Ganz im Gegenteil, bis auf den heutigen Tag zeigen die Kassenstatistiken deutliche Facharztzunahmen im ambulanten Bereich, deutliche Fallzahlzunahmen bei Fachärzten, exorbitante Original- scheinzuwächse bei Fachärzten, ausschließliche Mengendynamik ärztlicher Leistungen bei Fachärzten.

KBV als Selbstverwaltungskörperschaft hat auf der ganzen Linie versagt !

Die Selbstverwaltungskörperschaft KBV hat auf der ganzen Linie versagt. Die Ärzte selbst sind offensichtlich in ihrer Mehrzahl nicht mehr in der Lage, eine Politik über den Tellerrand eigener Fachgruppeninteressen zu betreiben. Die Mißstände werden mittlerweile einem immer breiteren Publikum gewahr. Handlungszwang drängt sich in nahezu allen Bereichen auf. Und in dieser Situation hat die KBV nichts anderes im Sinn und anzubieten als

- die Chimäre " freie Arztwahl des Patienten" hochzuhalten; also kein "Primärarztsystem" oder die mildere Form "Hausarzttarif". Eine Entscheidung weiterhin für Chaos, Ressourcenvergeudung und Facharztdynamik statt Struktur, Ordnung und bezahlbare Medizin auf höchstmöglichem qualitativen Niveau (Prof. Robert N. Braun)

- " daß die vertragsärztliche Selbstverwaltung - in der jetzigen Form - als Einheit erhalten bleiben muß. " Wobei doch diese Selbstverwaltung in der jetzigen Form so kläglich versagt hat, und das auf der ganzen Linie. Also keine "Hausarzt - KV" oder die mildere Form der "Haus-arzt-Sektion" oder das " eigene hausärztliche Verhandlungsmandat" für das Honorar.

- "daß zwar eine Stärkung der hausärztlichen Versorgung berücksichtigt werden muß, dies jedoch nicht zu Lasten der fachärztlichen Versorgung durchgesetzt werden darf",; also Fest- schreibung der gewachsenen Struktur- und Honorarmißstände. Geplant ist eine reine Pseudoreform zur Beruhigung von Hausärzten und Politik (Vgl: Presseerklärung der KBV von 4.2.1999)

Was sollen da noch Gespräche? So jedenfalls gibt es weder gemeinsame Karten noch etwas zu besprechen! Der Ansprechpartner des BDA bleibt in dieser Situation die rot -grüne Regierung, die offensichtlich wesentlich mehr Einsicht in die Notwendigkeit von Veränderungen zeigt als die eigene Fachärzteschaft. Gegen diese böse neue B90/Grüne/SPD-Regierung soll nun der BDA mit ganzem Herzen und fliegenden Fahnen streiken? Für wie dumm hält die KBV die Hausärzte eigentlich? Unter den jetzigen Bedingungen kann es kein gemeinsames Vorgehen in der Debatte um die Gesundheitsreform geben. Der Ansprechpartner des BDA ist und bleibt die Politik, denn nur sie kann die Weichen für eine humane und bezahlbare Patientenversorgung stellen. Die Nuß wird also von außen geknackt werden müssen. Dies bedeutet aber auch, daß das Solidaritätspotential der Hausärzte im großen und ganzen aufgebraucht ist und nicht mehr wie in der Vergangenheit je nach Bedarf eingefordert werden kann. Das gilt auch für die anstehenden Verhandlungen über die "Öffnung der Krankenhausambulanzen". "Bedienen ist Trumpf", heißt es beim Skat - Spiel, und genau dies erwartet die Hausärzteschaft auch mit ihren berechtigten Forderungen von der Fachärzteschaft. Ruhe und die Möglichkeit gemeinsam strategischen Handelns wird es jedenfalls erst dann wieder geben, wenn die BDA - Forderungen weitestgehend erfüllt sind. Bis dahin müssen beide Heere leider getrennt marschieren.

Eckhard Brüggemann (Veröffentlicht in: DER ALLGEMEINARZT 3/99)



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