Versorgungsauftrag und Versorgungswirklichkeit -
Allgemeinmedizin zwischen Hoffen und Bangen !

Lippenbekenntnisse zur Allgemeinmedizin, ihrem Stellenwert im Versorgungsalltag und der Förderung der Weiterbildungsstellen gibt es zu Hauf von der von der Bundesärztekammer, der KBV, den politischen Parteien, dem Bundesgesundheitsminister und den Krankenkassen. " Es gibt das "Blaupapier der Deutschen Ärzteschaft" seit 1992 das SGB V mit seinem § 73, es gibt Absichtserklärungen von KBV und Krankenkassen und die Nichttaten der Politiker. Bewegt hat sich im positiven Sinne für die Allgemeinmedizin fast nichts.

Einmal schreckte man bei seinen " Nichtentscheidungen" vor den "gewachsenen Strukturen", das andere Mal vor dem Gezeter der Fachärzte, das nächste Mal vor einem vermeintlichen Angriff auf die " freie Arztwahl des Patienten" und dann wieder vor der eigenen Courage, sprich Angriffe der Oppositionsparteien, zurück.

So wird der hausärztliche Versorgungsauftrag und mit ihm die Allgemeinärzte zum Spielball der verschiedenen Interessen. Finanziell ausgeblutet, vom Nachwuchs abgeschnitten, fachlich ausgeplündert bedarf dieses Fach auf allen Ebenen - Universität , Weiterbildung und Praxis gesetzgeberischer (!) Bluttransfusionen, um auch in Zukunft zumindest jedenfalls in den Kleinstädten und auf dem Lande die medizinische Versorgung der Bevölkerung bewältigen zu können. Die Großstädte und Universitätsstädte sind seit Jahren schon beinahe hausarztbereinigt und damit frei für die primäre Facharztbehandlung mit den bekannten Folgen:

- geringste Akzeptanz bei den Patienten
- höchster finanzieller Ressourceneinsatz
- Pleite der Krankenkassen

Die jetzige Regierung und ihre sie tragenden Parteien haben diesen ökonomischen und qualita- tiven Versorgungsirrweg längst erkannt und vor der Wahl, eben noch als Opposition, lauthals die mangelnde Entschlußkraft der alten CDU/CSU/FDP-Regierung angeprangert. Sollte der neuen Regierung solche jetzt schon abhanden gekommen sein?

Fast hat man den Eindruck, daß unter dem Trommelfeuer fachärztlicher Berufs-Lobby im Rahmen des "bonner Anti - Chambrierens", ein leiser Rückzug von vergangenen gesundheits- politischen Zielen vollzogen wird. Oder sollte man sich wirklich geirrt haben?

Innerärztlich ist das Problem der Versorgungswirklichkeit nicht mehr zu ändern, da die Haus-ärzte flächendeckend in die Minderheit geraten sind. Zu ihren und der Patienten Gunsten haben sie nichts zu erwarten," siehe:

- fachübergreifendes Impfen
- Anspruch von Gynäkologen und Urologen auf hausärztliche Tätigkeit
- Anspruch auf Ernährungsberatung durch Gynäkologen
- Ausschluß der Allgemeinärzte von der Leistungserbringung durch den " Facharztstandard"

Die Reihe ließe sich beliebig fortführen. Die KBV ist total facharztlastig, da die Allgemeinärzte im Vorstand aus dem BDA ausgetreten sind. Wehe dem, der Schlechtes dabei denkt!

Neben der Politik (?) hat der BDA-Hausärzteverband mittlerweile auch einige Verbündete. Das ist die Laienpresse, die den "Hausarzt" offensichtlich wiederentdeckt hat; das ist ein großer Teil unserer Patienten; und das sind nicht zuletzt die finanziellen Zwänge durch die Europäisierung bzw. Globalisierung des Arbeitsmarktes.

Im deutschen Gesundheitswesen werden 11% des Bruttoinlandsproduktes ausgegeben, und das ist in Europa einsame Spitze. Da aber auf der anderen Seite der Output im Gesundheitswesen nicht wesentlich besser als in Holland, Dänemark oder Skandinavien ist, muß man sich doch fragen: "Was geschieht mit den 3 - 4% Mehrausgaben ( in DM ca. 80 Milliarden) ? Wo versackt ohne Gespartes zu hinterlassen dieses Geld? Es versackt in unwirtschaftlichen Strukturen im ambulanten und im stationären Bereich.

Schon sehr bald wird diese oder eine andere Regierung den Geldhahn für das Gesundheitswesen weiter zu drehen müssen.- was ja nur heißen kann: Rationierung oder Effizienzsteigerung - denn der Druck auf die Senkung der Lohnnebenkosten wird ebenfalls zunehmen. Ehe aber in der Bundesrepublik eine Regierung Leistungsrationierung zu propagieren wagt, wird sie sich auf die Effizienzsteigerung im System stürzen und im Rahmen einer solchen Entscheidung wird niemand an einer flächendeckenden hausarztgestützten Versorgung, aus finanziellen und Qualitäts-Gründen vorbeikommen. Deshalb Hausärzte, Ruhe bewahren, Linie halten, nicht protestieren, auf allen Ebenen argumentieren, den BDA-Hausärtzeverband stärken, die Politiker überzeugen und die Patienten kompetent behandeln.

Die Zeit arbeitet für uns Hausärzte.

Eckhard Brüggemann (26.2.99)



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