KBV auf dem Holzweg

Mit dem Überrumpelungs - Coup "Ärztestreik" im Dezember 1998 hat der KBV-Vorstand nur von seiner eigenen Schwäche und Unentschlossenheit ablenken wollen. Das ist ihm ganz gut gelungen, denn es ist ein bewährtes Prinzip, von der eigenen Schwäche abzulenken, indem man die Speere nach außen richtet. Pech, daß der BDA dieses Spielchen sehr schnell durchschaute und aus der Phalanx vermeintlicher "innerärztlicher Solidarität" ausscherte, was ihm neben einigen spektakulären Verbandsaustritten die geballte Wut der fachärztlichen Standesvertreter eintrug.

Nur geändert an der prekären Situation der Hausärzte hat sich nichts. Das, was von der KBV als Spaltung der Ärzteschaft diffamiert wird, sieht der BDA als notwendige Strukturreform an. Die jetzt so lautstark propagierten "vernetzten Strukturen", als Antwort der KBV auf den freiwilligen Hausarzttarif des BDA, können auf Dauer gar nichts einsparen, da das bis heute gewachsene Versorgungschaos in der ambulanten Medizin, unter der Prämisse " freie Arztwahl" auch in den Netzen fortgeführt werden soll. Die zu teure "fachärztliche Primärversorgung" soll auf jeden Fall bestehen bleiben. Dies bedeutet jedoch ein Fortschreiten von Struktur- und Qualitätsmängeln und damit Ressourcenvergeudung.

Diesem Szenario stellt der BDA seinen Hausarzttarif mit einer strukturierten und bezahlbaren Versorgung auf höchstmöglichem Niveau gegenüber. Jetzt ist die Politik und die Öffentlichkeit aufgerufen, Stellung zu beziehen. Die Selbstverwaltung hat seit 8 Jahren die Kraft nicht aufgebracht, irgend etwas an der spezialistischen Über- und Fehlversorgung zu ändern. Ganz im Gegenteil, neben den Kinderärzten und Hausarzt-Internisten wollen jetzt auch noch Gynäkologen und Urologen an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen, von der ständig wiederholten Forderung der Internisten, für sie ebenfalls auch weiterhin die hausärztliche Versorgung freizuhalten, ganz zu schweigen. Wohlgemerkt, es geht nicht um den Besitzstand der jetzt schon niedergelassenen Hausarzt-Internisten, sondern um die kommenden Generationen. Obwohl der BDI offiziell auf eine hausärztliche Tätigkeit im Rahmen einer Diskussion um die Verschmelzung der Allgemeinmedizin mit der allgemeinen Inneren Medizin, um in Zukunft einen einheitlichen weitergebildeten Hausarzt zu haben, verzichtet hat. Teile der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) sprechen es ungeschminkt aus: " Das Versagen der GFB beruht auf strukturellen Eigenarten sowie der Vernachlässigung grundlegender Arbeiten. Hierbei ist eine eindeutige Abgrenzung hausärztlicher Anliegen von fachärztlichem Interesse und deren intensive Vertretung in der Öffentlichkeit an der obstruktiven Politik der Internisten gescheitert." Diesem Urteil kann sich der BDA vorbehaltlos anschließen.

Wie können die Hausärzte bei dieser Gelegenheit noch irgendwelche positiven Signale und Entscheidungen von der KBV erwarten? In diesem Sinne erwartet der BDA die Antworten auf seine Frage berechtigterweise von der Politik:
- Patientenselbsthilfe - Patientenrechte und integrierte Versorgung durch Hausärzte?
- Subsidiarität als Ordnungspolitik; Patienten - Hausarzt - Facharzt - Krankenhaus; also integrierte, abgestufte Versorgungszuständigkeit?
- Paradigmenstreit in der Medizin; mehr naturwissenschaftliche oder mehr gesamtmenschliche Sichtweise?
- Mittelverschwendung durch Übertechnisierung oder mehr Gespräch und Zuwendung?
- Läuft die Nachfrage- und Angebotsentwicklung (Alter, Politik, Chipkarte) ärztlicher Leistungen aus dem Ruder?
- Kann die Kostendynamik im Gesundheitswesen auch weiterhin erwirtschaftet werden? Und wenn nicht, was ist vor Rationierung strukturell zu tun?
- Können wir uns das " Do what you want" - System der absolut freien Arztwahl noch leisten oder müssen die Ärzte nicht zu einen " Do what makes sense" - System kommen?
- Wo sind die notwendigen epidemiologischen Daten als Grundlage zukünftiger Versorgungsplanung?
- Warum verhindert man ein Hausarztsystem, wo doch nur durch eine solche kontinuier- liche Langzeitbetreuung solide epidemiologische Daten zu erheben sind.
- Warum spricht die Ärzteschaft von Anheben der Versorgungsqualität und organisiert eine Qualitätssicherung an selektiven fachärztlichen Klientelen, die auch nur selektive qualitative Wirkung bei der Bevölkerung zeitigt.
- Wann wird endlich die Zersiedelung der Versorgungslandschaft durch immer mehr Fachärzte gestoppt?
- Welche strukturellen Änderungen der Kassen, KV ´en und Kammern sind erforderlich, damit das Problem der Kooperation im schärfer werdenden Wettbewerb bewältigt wird?
- Warum ist das primäre Basisziel der Arbeitsteilung in unserem Gesundheitswesen nicht erreicht, wer setzt es durch?
- Wie verhindert man die Schäden der zufälligen Angebote- fachärztliche Primärversorgung oder fachärztlicher Reduktionismus?
- Will man gezielte Planung (Hausarztsystem) oder Zufälligkeiten durch Patienten- Selbst-Suche (freie Arztwahl)?
- Wer verantwortet auf Dauer das Chaos und die Verschwendung?
- Benötigen wir nicht ein Gesetz der Systemsteuerung?

Mit diesen Fragen von strategischer Bedeutung für die Ärzteschaft hätte sich die Körperschaft KBV auseinanderzusetzen. Aber hier ist auf der ganzen Linie nur Fehlanzeige. In der KBV verschleißt man lieber Kräfte mit Labor- und EBM - Reformen. Davon haben die Hausärzte jedenfalls die Nase voll. Deshalb ist die Politik gefordert!

Eckhard Brüggemann (25.2.99)



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