Strukturreform 2000: Schalkhäuser und Blum warnen vor Primärarztsystem


Mit steter Regelmäßigkeit erscheinen seit einigen Wochen warnende Artikel über die " freie Arztwahl und das mißliebige Primärarztsystem" aus der Feder der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) und jetzt auch der Vertragsärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Diesmal waren die Urologen an der Reihe, nachdem Internisten, Orthopäden und andere sich schon entsprechend geäußert haben.

Gerichtet sind diese offensichtlich abgesprochenen verbalen Attacken gegen das Bundesgesundheitsministerium und insbesondere Frau Fischer und innerärztlich natürlich gegen den Hausärzteverband BDA und seinen Repräsentanten Dr. Kossow.

Kein Argument ist unseren Fachkollegen dümmlich genug, um nicht als verbale Munition gegen eine so dringend notwendige Strukturreform der ambulanten medizinischen Versorgung verwendet zu werden. Hierbei versteigen sich Schalkhäuser und Co. In die Behauptung, ein freiwilliger Hausarzttarif mit Beitragsbonus in der GKV heble nicht nur die freie Arztwahl aus, sondern gefährde auch die flächendeckende ambulante fachärztliche Versorgung.

Mit einer solchen unglaubwürdigen - um nicht zu sagen lächerlichen - Argumentation sind insbesondere Gesundheitspolitiker von Rot/Grün sicherlich nicht zu überzeugen, da mittlerweile alle erstzunehmenden Gesundheitsökonomen mündlich und schriftlich landauf und landab verkünden, daß in der Bundesrepublik Deutschland erhebliche Strukturdefizite in der ambulanten Patientenversorgung bestehen, die zur massiven Ressourcenvergeudung und auch Qualitätsdefiziten führen. Ganz im Gegenteil, gerade dort, wo die höchste Facharztdichte besteht, nämlich in den Ballungszentren (z.B. Berlin, Hamburg, Bremen und München) wird die ineffizienteste und teuerste Medizin betrieben.

Hierzu sagen Prof. Dr. Robert N. Braun und Prof. Dr. Max-Josef Halhuber, Internist und Kardiologe: " Wir erachten es für unbedingt nötig, daß Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner die für ihr Spezialfach unerläßliche, spezielle, umfassende und langjährige Ausbildung und Weiterbildung erhalten. Eine moderne Medizin ist nur mit hochqualifizierten Kräften als Primär-Ärzte und Koordination - eben mit Allgemeinärzten und Allgemeinärztinnen - auf höchstmöglichem Niveau realisierbar und auch finanzierbar!"

Viel zu wenig wird darüber hinaus beachtet, daß ein Primärarztsystem auch positive Auswirkungen auf die fachärztliche Versorgung selbst hat. Unter dessen Bedingungen gelangen nämlich nur Patienten mit gravierenden Problemen zum Facharzt. Dieser konzentriert sich infolgedessen auf die schwereren bzw. selteneren Erkrankungen und erhält so seine Spezialistenkompetenz. Solche Fachärzte dagegen, die vor allem vom Patienten direkt ohne Überweisung aufgesucht werden, können dem überweisenden Hausarzt meist keine zusätzlichen relevanten Informationen vermitteln, da ihre Spezialkompetenz nicht so hoch entwickelt ist wie bei den Kollegen, die überwiegend auf Zuweisung von Haus- und anderen Ärzten tätig sind. Eine strikte Arbeitsteilung von haus- und fachärztlicher Ebene steigert also die Behandlungsqualität beider Gruppen. Voraussetzung für diese positiven Effekte ist die Konkretisierung der von § 73 SGBV vorgesehenen Trennung von haus- und fachärztlicher Versorgung im Sinne eines Primärarztsystems.
So weit will der BDA-Hausärzteverband gar nicht gehen. Er präferiert zur Zeit einen freiwilligen Hausarzttarif in der GKV als Pflichtleistung jeder Krankenkasse.

Offensichtlich geht diese Forderung den Funktionären fachärztlicher Berufsverbände schon zu weit, wie sonst anders wären deren Argumente zu verstehen. Schade, so wird die kommende Strukturreform wohl ohne die Zustimmung unserer ambulant tätigen fachärztlichen Kollegen von den Politikern durchgeführt werden müssen. Wie nannte es der alte Hausarzt-Haudegen Dieter Tetzlaff: " Die Nuß muß von außen geknackt werden !"


Eckhard Brüggemann (3.2.99)



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