Stand der Diskussion Gesundheitsstrukturgesetz 2000

Im Rahmen der Diskussion um das Gesundheitsstrukturgesetz 2000 klären sich langsam Eckpunkte, die tatsächlich in diesem Gesetz behandelt werden sollen. Zum jetzigen Zeitpunkt läßt sich folgendes festhalten. Offensichtlich ist es unter den gegebenen Umständen am einfachsten für Politiker, sich über das zu einigen, was man nicht im Rahmen der Strukturreform abhandeln möchte:

- den Problemkreis der Verbesserung der Einnahmensituation der GKV, z.B. durch Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze oder der Versicherungspflichtgrenze,
- den Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassenarten,
- Verbesserung der Patientenrechte und des Patientenschutzes.
Für die Bearbeitung dieser Themen bedarf es doch wohl eines längeren Zeitrahmens als knappe 12 Monate.

Dagegen wird sich die Strukturreform mit folgenden Themen beschäftigen, wobei bisher es eine Konkretisierung auf einzelne gesetzliche Regelungen noch nicht gibt. Damit sind die Mitarbeiter im Ministerium beauftragt, die jetzt unter sehr hohem Druck konkrete Formulierungen erarbeiten müssen. Insbesondere folgende 4 Bereiche sollen bis zum Ende des Jahres gesetzgeberisch bearbeitet werden:

- Leistungen im Rahmen von Prävention und Selbsthilfe sollen Pflichtleistungen werden,
- Neuordnung des Arzneimittelmarktes: Stichwort Arzneimittelrichtlinien und Positivliste,
- Stärkung der hausärztlichen Versorgung und
- Neuordnung des Krankenhausbereiches, z.B. monistische Finanzierung, Öffnung der Krankenhäuser für ambulante fachärztliche Versorgung, Ausbau des Krankenhauses zu Gesundheitszentren.

Auf mehreren Klausurtagungen sind bis Ende März Fundamente für den weiteren internen und externen Reformdialog durch die Koalition gelegt worden, trotz aller Irritationen, die naturgemäß bei den Betroffenen auftreten. Ich nenne hier besonders stellvertretend KBV, KVen, Fachärzteschaft, Krankenhausmitarbeiter und die mittelständische Pharmaindustrie.

Von besonderem Interesse für die Hausärzteschaft sind natürlich die Regelungen bezüglich einer Stärkung der hausärztlichen Versorgung. Auch bei diesem Thema ist die Koalitionsregierung bisher wenig konkret geworden. Dennoch läßt sich aus den bekannt gewordenen Verhandlungsergebnissen und den internen Gesprächen folgendes ableiten:

1. Trotz aller Proteste der KBV und (Fach-)Ärzteschaft ist es auch weiterhin beabsichtigt, einen eigenständigen Gesamtvergütungsanteil für den hausärztlichen Versorgungsbereich festzulegen. Dies gilt auch für den fachärztlichen und den psychotherapeutischen Versorgungsbereich. Dies soll geschehen in Form einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung der Partner der Selbstverwaltung.

2. Für das Aushandeln der jeweiligen Gesamtvergütungsanteile sollen die drei Sektionen/oder Fraktionen ein eigenes Verhandlungsmandat gegenüber den Krankenkassen erhalten.

3. Es wird einen eigenständigen Honorarverteilungsmaßstab für die jeweiligen Gesamtvergütungsanteile geben. Dieser HVM soll von den einzelnen Sektionen/Fraktionen beschlossen werden. In diesem Zusammenhang legt der BDA großen Wert darauf, daß die Honorarverteilung in der Hand der Vertragsärzte bleiben muß, und zwar nicht in der Hand der Vertragsärzte einer KV insgesamt, sondern in der Hand der einzelnen Sektionen/Fraktionen.

4. Ein eigenständiger Hausarzt-EBM soll vorgeschrieben werden, ggf. auch ein eigenständiges Kapitel im EBM. Der BDA wird sich auf dieses Szenario vorbereiten und eigene Vorschläge zum gegebenen Zeitpunkt unterbreiten.

5. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich zwangsläufig, daß es bei einer einheitlichen kassenärztlichen Vertretung, also einer einheitlichen KV-Verwaltung bleiben soll. Dies war immer das Bestreben des BDA. Die KVen selbst werden jedoch in Sektionen/Fraktionen mit eigenen Aufgaben und Kompetenzen aufgeteilt.

6. Auch die Organisationsstruktur der KVen soll reformiert werden. Es wird wahrscheinlich hauptamtliche Vorstände geben - unter Einschluß von jeweils mindestem einem Vertreter der einzelnen Sektionen/Fraktionen. Auch dies trifft den Kern der strategischen BDA-Überlegungen seit Jahren.

7. Offensichtlich ist daran gedacht, die Vertreterversammlungen in ihrer jetzigen Form aufzulösen und an deren Stellen zahlenmäßig deutlich verkleinerte Verwaltungsräte einzusetzen. Auch das wird vom BDA begrüßt.

8. Die Verwaltungsräte werden im Wege einer Verhältniswahl für einen Zeitraum von wahrscheinlich 6 Jahren gewählt werden, so wie die hauptamtlichen Vorstände auch. Der BDA fordert in diesem Zusammenhang, daß die Mitglieder der jeweiligen Sektion/Fraktion getrennt ihre Vertreter für den Verwaltungsrat wählen. 9. Völlig offen ist zur Zeit, wie der durchaus bestehende Wunsch in der Koalitionsregierung, die Versicherten in Richtung eines Hausarztkonzeptes zu lenken, verwirklicht werden kann. Die Dressler'schen Vorstellungen bezüglich der Einstellung des Chip-Karten-Gebrauchs ist offensichtlich vom Tisch. Ebenso wenig wird jedoch der Vorschlag weiterverfolgt, den Versicherten einen Bonus zu gewähren, wenn sie einen Hausarzt wählen. Der Vorschlag des BDA eines gespaltenen Beitrages bzw. einer Tarifvergünstigung für Versicherte, die einen Hausarzt wählen, stößt ebenfalls auf große Vorbehalte, insbesondere auch bei den Krankenkassen:

- unkalkulierbare Risiken für die Kassen,
- Beschädigung des Solidarsystems,
- Unwägbarkeiten bei der Risikoverteilung.

So bleibt eigentlich als Letztes in diesem Zusammenhang nur noch die Malus-Regelung für den Fall der direkten Inanspruchnahme von Fachärzten übrig. Aber man könnte sich auch vorstellen, daß sowohl Patient als auch Spezialist mit einem jeweiligen 10%igen Malus bedacht werden, wenn die Behandlung ohne Überweisungsschein erfolgt. Festgehalten bleiben muß jedoch, daß hier die Diskussion noch völlig offen ist.

Darüber hinaus ist nicht daran gedacht, den Sicherstellungsauftrag der kassenärztlichen Vereinigung zu beseitigen oder auch nur weitgehend einzuschränken. Ziel wird es vielmehr sein, die Kassen, die über die Budgets verfügt sind, in die Verantwortung für den Einsatz der Mittel im einzelnen mit einzubeziehen.

Die Öffnung der Krankenhäuser soll auf die spezialistischen Bereiche beschränkt bleiben, die in den schon bekannten Eckpunkten genannt sind. Eine generelle Öffnung der Krankenhäuser zur ambulanten Behandlung wird es nicht geben.

An der Arzneimittel-Positivliste wird nach wie vor festgehalten.

Fazit: Das Vorgenannte ist also der Diskussionsstand Ende März 1999. Was sich aus Sicht des BDA tatsächlich realisieren läßt, ist noch nicht abzusehen. Um die Situation der hausärztlichen Versorgung und die der Hausärzte tatsächlich zu verbessern, werden die Verantwortlichen im BDA noch viel Zeit, Arbeit und Überzeugungskraft aufbringen müssen.

Eckhard Brüggemann (3.4.1999)



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