Neue UV-GOÄ 2001 (BG-GOÄ) ab 01.05.01

I. Allgemeine Vorbemerkungen:
Die Primär- und/oder Weiterbehandlung von unfallverletzten Patienten gehört zum Standard einer jeden Hausarztpraxis. Deshalb ist es unabdingbar, daß der Allgemeinarzt sich um besondere Kenntnisse in der "kleinen Chirurgie", in der Wundversorgung, in den Verbandstechniken und dem kleinen Gipsen bemüht.
Die Leistungen der Berufsgenossenschaften (BG) und Unfallversicherungsträger (UV) erstrecken sich auf:
- Arbeitsunfälle (AU)
- Wegeunfälle (WU)
- Berufskrankheiten (BU).
Abgerechnet werden die Leistungen nach dem "Vertrag zwischen Berufsgenossenschaften und Kassenärztlicher Bundesvereinigung", hier kurz UV-GOÄ 2001 genannt.

II. Welchen Unfall darf der Hausarzt behandeln?
Das bedeutet auch, welche Unfälle sind von der Vorstellungspflicht beim D-Arzt befreit?
- Den privaten Unfall des Kassenpatienten (häuslicher Unfall oder Sportunfall)
Cave: Betriebssport.
- Jeden Unfall bei privat versicherten Patienten (GOÄ ´96).
- Dienstunfälle von Bundesbahnbeamten (DU-Bahn).
- Dienstunfälle von Postbeamten (DU-Post).
- Arbeitsunfälle von Kassenpatienten, wenn keine Arbeitsunfähigkeit oder nicht mehr als eine Woche Behandlung daraus resultieren.
- Arbeitsunfälle, die primär vom D-Arzt versorgt wurden und in die "allgemeine Heilbehandlung" zurück überwiesen werden.
- Schülerunfälle, wenn voraussichtlich keine längere Schulunfähigkeit als sieben Tage daraus resultiert.
- Landwirtschaftliche Unfälle.
Cave: Regionale Sonderregelungen

Merke: Die notwendige Erstversorgung kann immer durchgeführt werden.

III. Der private Unfall von Kassenpatienten
- der häusliche Unfall/der Sportunfall;
- Erstversorgung und/oder Folgebehandlung erfolgt durch den Hausarzt;
- abgerechnet wird zu Lasten der Krankenkasse (BMÄ/E-GO);
- Bei schweren Verletzungen, bei denen sich der Hausarzt fachlich überfordert fühlt, wird eine kassenärztliche Überweisung an einen Chirurgen zur Konsiliaruntersuchung oder Mitbehandlung verfügt.

IV. Der Unfall eines Privatpatienten
- Die Erstversorgung und/oder die Folgebehandlung erfolgt durch den Hausarzt.
- Der Hausarzt rechnet ganz normal nach GOÄ ´96 ab.
- Bei schweren Unfällen, bei denen sich der Hausarzt fachlich überfordert fühlt, wird der Verletzte mittels Privatrezept an einen Chirurgen zur Konsiliaruntersuchung oder Mitbehandlung überwiesen.

V. Der Dienstunfall des Bundesbahn- (DU-Bahn) und Postbeamten (DU-Post)
- Die Primär- bzw. Folgebehandlung erfolgt durch den Hausarzt.
- Nach Anerkennung des Dienstunfalls durch die entsprechende Behörde wird auf einem gesonderten Formblatt, welches der Patient mitbringt, nach GOÄ ´96 abgerechnet.
- Die Abrechnung erfolgt am Ende des Quartals über die KV.

Merke: Weitere Einzelheiten sind in den Verträgen über die Heilbehandlung der durch Dienstunfall verletzten Beamten von Bahn und Post nachzulesen, enthalten in dem weinroten Ordner der KBV "Verträge der Kassenärztlichen Bundesvereinigung."

VI. Der Arbeitsunfall des Kassenpatienten

Die alleinige Zuständigkeit liegt bei den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung, z.B. Berufsgenossenschaften. Anfallende ärztliche Leistungen, Heil- und Hilfsmittel und Verbandmaterialien dürfen nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet bzw. verordnet werden. Für die Abrechnung dieser Leistungen über den Unfallversicherungsträger ist allein maßgebend, daß Ursache für die Notwendigkeit der Leistungen ein Arbeitsunfall, Wegeunfall, oder eine Berufskrankheit ist.

Bei der Abrechnung sind verschiedene Praxissituationen zu berücksichtigen:

1. Primärbehandlung erfolgt durch den Hausarzt, es resultiert keine Arbeitsunfähigkeit:
- Die weitere Behandlung erfolgt in diesem Fall ohne (!) D-Arzt-Vorstellung durch den Hausarzt.
- Der Hausarzt erstattet umgehend, möglichst innerhalb von 24 Stunden, der zuständigen Berufsgenossenschaft eine "ärztliche Unfallmeldung" auf Vordruck Nr. F 1050 (GNr. 125 12,10 DM + 1,10 DM Porto).
- Die Gebühren für die allgemeine Heilbehandlung werden jetzt nach UV-GOÄ 2001 abgerechnet.
Merke: "Besondere Kosten" gesondert in Rechnung stellen!

2. Der Verletzte sucht primär den Hausarzt auf; der überweist ihn, da aller Voraussicht nach eine Arbeitsunfähigkeit resultiert, zum D-Arzt.
- Wenn nötig, erfolgt die erste Notfallversorgung beim Hausarzt. Diese wird nach UV-GOÄ 2001 abgerechnet. Danach wird ein "Überweisungsvordruck - ÜV" ausgestellt. (Vordruck F 2900 GNr. 145 6,83 DM).
- Der D-Arzt entscheidet dann, wie der Unfallverletzte weiterbehandelt wird:
besondere Heilbehandlung: D-Arzt,
allgemeine Heilbehandlung: Hausarzt.

Merke: 80 % der Unfallverletzten müssen in die "allgemeine Heilbehandlung" dem Hausarzt rücküberwiesen werden, nur 20 % dürfen wegen der Schwere der Verletzung in der "besonderen Heilbehandlung" des D-Arztes bleiben.

Nach Rücküberweisung des Unfallverletzten mit einem D-Arzt-Bericht wird die Folgebehandlung durch den Hausarzt übernommen. Die ärztlichen Leistungen werden nach UV-GOÄ 2001 abgerechnet. In diesem Fall muß der Hausarzt verständlicherweise keine neue "ärztliche Unfallmeldung" erstellen, da der D-Arzt-Bericht der BG bereits vorliegt.

3. Arbeitsunfähigkeit
- Der Hausarzt hat die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich auszustellen und an die zuständige Krankenkasse! zu senden (Die Statistik über die Arbeitsunfähigkeiten werden bei der Krankenkasse geführt).
- Wurde die Arbeitsunfähigkeitsdauer durch den D-Arzt limitiert hat der Hausarzt sich strickt daran zu halten. Besteht darüber hinaus weitere Arbeitsunfähigkeit, muß der Verletzte sich zur Nachschau wieder beim D-Arzt vorstellen. Die Weiterbehandlung erfolgt dann nach Maßgabe des Nachschauberichtes.
- Besonders ist auf das Ankreuzen des Kästchens "Arbeitsunfall, Arbeitsunfallfolgen, Berufskrankheit" zu achten.
- Falls erneute D-Arzt-Vorstellung erfolgte, muß das Kästchen "Dem Durchgangsarzt zugewiesen" ebenfalls angekreuzt werden.

4. Arztkonsultation bei Beschwerden wegen eines alten Arbeitsunfalls
- In diesem Fall muß der Patient mit einem ÜV-Vordruck (blau) einem D-Arzt vorgestellt werden. Abgerechnet wird über GNr. 145 6,83 DM.
Merke: Keinen normalen kassenärztlichen Überweisungsschein benutzen.

5. Verordnung von Leistungen
- Verordnet der Hausarzt dem Unfallverletzten Medikamente und/oder Verbandmittel, so müssen diese zu Lasten der BG verordnet werden. Anzukreuzen ist deshalb auf dem Normalrezept UV und anstelle der Krankenkasse die Berufsgenossenschaft anzugeben.
- Heil- bzw. Hilfsmittel dürfen im Rahmen der allgemeinen Heilbehandlung nicht verordnet werden. Sie können nur vom D-/H-Arzt verordnet werden.

6. Andere Situationen
- Bei Augen- und HNO-Verletzungen muß der Patient unverzüglich dem entsprechenden Facharzt vorgestellt werden (ÜV-Vordruck blau).

VII. Berufskrankheiten
Hat der Arzt den begründeten Verdacht, daß bei einem Versicherten eine Berufskrankheit besteht, so erstattet er unverzüglich dem Unfallversicherungsträger die nach § 202 SGB VII vorgegebene Anzeige.
Der Arzt hat den Versicherten über den Inhalt der Anzeige zu unterrichten. Ist eine Berufskrankheit anerkannt, so sind sämtliche Leistungen, die sich auf Folgen dieser Berufskrankheit beziehen, ebenfalls über die Berufsgenossenschaft abzurechnen. Das gilt auch für die Verordnung von Arznei- und Heilmitteln. Auch in diesem Fall ist das Kästchen UV anzukreuzen und die Berufsgenossenschaft statt der Krankenkasse anzugeben.

Die wichtigsten Berichtsvordrucke

GNr. 125Vordruck F 1050 Ärztliche UnfallmeldungDM 12,10 + Porto
GNr. 141Vordruck F 6000 Ärztliche Anzeige über eine BerufskrankheitDM 29,76 + Porto
GNr. 125ArbeitsunfähigkeitsbescheinigungDM 5,36
GNr. 125Vordruck F 2900 ÜberweisungsvordruckDM 6,83


Die wichtigsten Leistungen des Hausarztes in Kürze
UV-GOÄ 2001

GNr. 1symptomzentrierte Beratung und UntersuchungDM 12,15
GNr. 6eingehende Untersuchung mehrerer OrganeDM 14,50
GNr. 11einfache BeratungDM 4,86
GNr. 16Nichtkontakt-BeratungDM 4,05


Besondere Kosten:
Die "besonderen Kosten", auch Sachkosten genannt, z.B. bei Verbänden, Impfungen, kleinen Eingriffen bleiben weiterhin erstattungsfähig. Sie sind aber im neuen Vertrag nicht aufgeführt. Deshalb hier noch mal die wichtigsten Leistungen mit den besonderen Kosten aus der BG-GOÄ 2001.

GOÄ Nr.Honorar in DMLegendebes.Kosten in DM
2006,35Verband2,40
201 A8,51großer Klebeverband21,40
203 A12,83Kompressionsverband10,80
203 B12,83Zinkleimverband28,50
20412,83zirkulärer Verband13,50
20810,40kleiner Tape11,70
20920,25großer Tape39,60
21010,80kleine Schiene9,10
2118,79dito. Wiederanlegen3,20
21221,33große Schiene19,30
21318,90dito. Wiederanlegen10,60
4908,24Lokale klein2,60
49116,34Lokale groß5,30
4938,24Oberst4,10
20009,45kleine Wunde + GNr. 200 !2,40
200117,55kleine Wunde + Naht9,80
200317,55große Wunde + GNr. 200 !2,40
20068.51sekundär heilende Wunde + GNr. 200 !2,40
20075,40Entfernen Fäden + Klammern


Merke: Verbandmittel können individuell zu Lasten der BG rezeptiert oder pauschal als "besondere Kosten - Sachkosten" abgerechnet werden. Werden Verbandmaterialien pauschal berechnet, muß der Arzt einen privaten Sprechstundenbedarf ausweisen. Der kassenärztliche Sprechstundenbedarf darf hierzu nicht herangezogen werden. Das gilt auch für Impfungen und injizierte Arzneimittel (Ampullen), deren Berechnung anteilig von einer Op-Packung erfolgen sollte.

VIII.
Was geschieht, wenn eine Unfallmeldung erfolgte, aber ein Arbeitsunfall nicht anerkannt wird?

Sofort nach Eingang einer Unfallmeldung überprüft der Unfallversicherungsträger, ob ein Arbeitsunfall vorliegt! (Deshalb auch die Verpflichtung zur zeitgenauen Übermittlung an die BG).
Liegt ein Arbeitsunfall vor, muß der Widerspruch des Unfallversicherungsträgers innerhalb von 10 Tagen beim Hausarzt eingehen. In diesem Fall werden alle Leistungen normal mit der Gesetzlichen Krankenkasse abgerechnet. Geht der Widerspruch außerhalb der 10-Tages-Frist ein, so wird mit dem Unfallversicherungsträger abgerechnet. Sollte die Abrechnung an einen falschen Unfallversicherungsträger gehen, wird dennoch der Honoraranspruch des Arztes erfüllt.

Merke: Ein Irrtum geht n i c h t zu Lasten des Arztes.

Es findet in diesen Fällen ein interner Ausgleich unter den Unfallversicherungsträgern statt. Das gleiche gilt auch, wenn ein Unfall vorgetäuscht wird, obwohl eigentlich die Abrechnung zu Lasten der Krankenkassen erfolgen müßte.
(Empfohlenes Gebührenwerk für die Hausarztpraxis: BG-GOÄ, Zauner Druck- und Verlags GmbH Dachau, ISBN 3-929529-25-4)

Cave: Achten Sie darauf, daß Ihr Software-Haus Ihnen die aktualisierte UV-GOÄ 2001 bis zum 01.05. zur Verfügung stellt.

IX. Schlußbetrachtung
Sicherlich wird mancher Hausarzt denken, was soll die erneute Bürokratie einer dritten Gebührenordnung, und dann noch für wenige Patienten. Wäre es vielleicht nicht doch besser, auch diese Leistungen einfach über Krankenschein abzurechnen? Solche Gedanken sind zwar vordergründig verständlich, aber bei gewisser Weitsicht muß ihnen aus mehrerlei Gründen widersprochen werden.

1. Die Zahl der berufsgenossenschaftlich unfallverletzten Patienten ist gar nicht so niedrig wie allgemein gedacht wird. Es werden aber immer noch viele unfallverletzte Patienten nicht vom Hausarzt behandelt, obwohl nach der Erstbehandlung durch den D-Arzt hausärztliche Weiterbehandlung in 80 % aller Fälle verfügt werden muß. Das gilt insbesondere auch für alle Kindergarten- und Schul- bzw. Wegeunfälle.

2. Die Vergütung erfolgt nach UV-GOÄ 2001 außerhalb der kassenärztlichen Vergütung, also ohne KV und Kassen. Nur die Verträge selbst werden von der KBV mit den Unfallversicherungsträgern abgeschlossen (Abkommen Ärzte/Unfallversicherungsträger).

3. Der Hausarzt ist also bei dieser Patientengruppe noch weitgehend freiberuflich tätig und nicht den vielfältigen Restriktionen (Budget, Regresse und Honorarkürzungen) der kassenärztlichen Tätigkeit ausgesetzt. Allerdings muß er sich dafür auch der Mühe unterziehen, sich mit dem speziellen Regel- und Abrechnungswerk der BG vertraut zu machen.
Merke: Mit einer guten EDV-Software ist dies leicht zu bewerkstelligen.

4. Die ärztlichen Leistungen werden mit festen DM-Beträgen vergütet, so daß der Arzt ein einigermaßen gerechtes Honorar ohne den üblichen "Sozialrabatt" in der GKV bekommt. Hierbei sollte die Rechnung sofort nach Abschluß der Behandlung erstellt werden. Auch dies ist mit einer Praxis-EDV kein Problem. Somit fließt das Honorar kontinuierlich und zeitgenau auf das Konto.


Unter Abwägung aller Vor- und Nachteile ist die zugegebenermaßen etwas komplizierte Regelung der "Allgemeinen Heilbehandlung" dennoch zu begrüßen und voll zu nutzen.


Eckhard Brüggemann (März 2001)



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