Quo vadis IGEL-Hausarzt?
Mehr Gesundheit oder budgetfreie Medizin verheißt die Informationsbroschüre der MEDWell - Gesundheits-AG
aus Köln. Des weiteren heißt es in der Broschüre: "Durch die Einschränkungen der Budgetierung kann in der
Kassenmedizin häufig nur noch ein suboptimaler Behandlungsstil angeboten werden, der hinter den medizinischen
Möglichkeiten zurückbleibt."
Die MEDWell AG stellt dem Arzt Informationsmaterial sowie Organisationshilfe für die Patienten über die wichtigsten
Entwicklungen in der Privat- und Komfortmedizin zur Verfügung. Damit soll der Arzt seine Patienten aktiv
ansprechen - sprich bewerben - für Leistungen, die Cash zu bezahlen sind. Das ganze steht unter dem hehren
Anspruch der "vertrauenswürdigen Privatmedizin".
Als dieses Programm zum ersten Mal unter dem Etikett der IGEL-Leistungen, Individueller Gesundheitsleistungen,
damals noch bei der KBV angepriesen wurde, habe ich meine fundamentalen Bedenken als Hausarzt als einziger
öffentlich formuliert. Und die gesamte Entwicklung innerhalb der ambulanten Medizin bestätigt nur meine damalige
Einstellung.
1. Eine optimale Therapie hat die GKV noch nie leisten können. Sie wäre völlig unbezahlbar. Deshalb spricht das
Gesetz von ausreichend und wirtschaftlich.
2. Die Glaubwürdigkeit bei der Behandlung des GKV-Patienten muß auch ohne private Zuzahlung gewährleistet
sein. Dies halte ich für eine der wichtigsten Grundlagen der ärztlichen Tätigkeit.
3. Da die meisten der unter IGEL aufgeführten Leistungen entweder Scharlatanerie oder überflüssiger Luxus zum
Füllen des ärztlichen Beutels darstellen, sollten sich zumindest die Hausärzte dreimal überlegen, ob sie solche
Leistungen aktiv bewerben.
4. Im fachärztlichen Bereich werden solche Leistungen schon weitestgehend als Routine angeboten. Das mag
aus dem Fachgebiet und der regelhaft geringeren Patientennähe noch erklärbar erscheinen, aber die immer
häufiger und lauter werdenden unethischen um nicht zu sagen skandalösen Mißbräuche der Patientenabzocke
lassen erhebliche Zweifel aufkommen, ob das langfristig uns Ärzten nicht erheblich mehr schadet als nützt.
5. Unabhängig davon müßten die Ärzte die Politik immer wieder daran erinnern, daß sie auch Bürger dieser
Republik sind und daher bei überdurchschnittlicher zeitlicher Belastung und Verantwortung im Beruf ihre
Leistungen angemessen honoriert bekommen müssen. Dabei dürfen sie nicht durch Budgetierungen in allen
Bereichen, begleitet von existenzvernichtenden Strafzahlungen bei Überschreitung derselben zur Sicherung
der eigenen Existenz und der der Familie in die "Subkultur" ärztlichen Handelns getrieben werden.
Die Hausärzte jedenfalls wollen auch die Schwachen dieser Gesellschaft ordentlich ärztlich versorgen und
betreuen, ohne immer gleich die Hand aufhalten zu müssen. Dies zu erhalten und auch in Zukunft zu ermöglichen
ist vordringliche Aufgabe der Gesundheitspolitik.
Ist dieses weiterhin gewährleistet, mag der ein oder andere auch gewünschte Akupunktur oder kosmetische
Operationen privat leisten, das wird dem Ansehen des Ärztestandes nicht schaden.
Eckhard Brüggemann (3.10.2000)
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