Globalisierung und Beschäftigung: eine existentielle Herausforderung für Deutschland
Wenn Ökonomen und Politiker das moderne Wirtschaftsgeschehen beschreiben, verweisen sie regelmäßig
und nachdrücklich auf das alles beeinflussende Phänomen der Globalisierung. Gemeint ist dabei das weltweite
Zusammenwachsen von Güter- und Kapitalmärkten, verursacht durch eine nahezu grenzenlos mobile Wirtschaft.
Wie ist nun das neue globale Wirtschaftszeitalter zu bewerten und - was noch wichtiger ist - welche Folgen
sind damit für die nationalen Wirtschaftsmärkte verbunden?
Bei der Bewertung dieser Fragen gehen die Meinungen weit auseinander. Während es für die einen
ein Rückfall in den "Manchester-Kapitalismus" bedeutet, mit einem ruinösen Wettbewerb der Staaten
untereinander, einem Verfall des Sozialstaates, einem Absinken der Steuereinnahmen auf niedrigstem
Niveau - womit dann die wichtigsten öffentlichen Aufgaben nicht mehr finanziert werden können - und
massiven negativen Konsequenzen für die Arbeitsmärkte, ist die Globalisierung für die anderen durch
eine fortschreitende Internationalisierung und Vernetzung der Märkte eine einmalige Chance, alte Strukturen
aufzubrechen und Wirtschaft und Gesellschaft zu modernisieren.
Besonders Deutschland mit seinen hohen Sozialstandards sitze in der "Globalisierungs-Falle", so
meinen die Kritiker. Es müssen deshalb schnellstens internationale Vereinbarungen her, um die deutsche
Wirtschaft vor den schlimmen Folgen der total entfesselten Marktkräfte zu schützen. Die Befürworter
hingegen machen geltend, daß Marktwirtschaft eben nicht nach den Regeln eines Nullsummenspiels
funktioniere, bei dem der eine verliert, was der andere gewinnt, sondern der Wettbewerb sei vielmehr
die Grundlage für steigenden Wohlstand, und zwar in nationalem wie internationalem Rahmen. Die Staaten,
die sich den Herausforderungen der globalen Konkurrenz aktiv stellen, hätten daher auch den größten
ökonomischen Erfolg.
Diese fundamentale wirtschaftspolitische Debatte scheint an vielen Deutschen vorbeigegangen zu sein
und zu gehen, denn im Rahmen einer öffentlichen Befragung von Allensbach waren lediglich 20 % der
befragten Bürger darüber informiert, was es mit der weltweiten Integration der Märkte auf sich hat. Aufklärung
also tut not.
Die Globalisierung ist ein Phänomen mit vielen Facetten. Schon vor 200 Jahren dozierte David Ricardo:
"Unter einem System des vollständig freien Handels steckt jedes Land sein Kapital und seine Arbeit in
solche Verwendungen, bei denen es im Vergleich zur internationalen Konkurrenz am besten dasteht."
Dieser Gedanke hat auch an der Schwelle zum 21. Jahrhundert nichts an Aktualität eingebüßt. Weltweit
verbinden sich wirtschaftlich immer mehr Länder durch internationale Arbeitsteilung miteinander, da sie erkannt
haben, daß dies die entscheidende Quelle für wirtschaftlichen Wohlstand und gesellschaftlichen Fortschritt ist.
Hierbei konkurrieren sie ganz nach dem Erfolgsrezept von Ricardo auf den Weltmärkten vor allem mit
leistungswilligen und billigen Arbeitskräften - also mit Ressourcen, die sie meist im Überfluß besitzen.
In welchen Dimensionen sich die Globalisierung heute abspielt, erkennt man an der explosionsartigen
Nutzung des Internets, welches in nahezu idealer Weise Raum und Zeit überbrückt:
- Computer und Satelliten ermöglichen es Unternehmen in Sekundenschnelle, ihre Geschäfte global abzuwickeln.
- Kapital wird ohne Zeitverzögerung in die entferntesten Winkel der Erde transferiert.
- Flugzeuge transportieren die verkauften Produkte in wenigen Stunden in alle Erdteile.
Grundsätzlich gibt es zwei Ebenen des weltweiten ökonomischen Miteinanders:
1. Die Güter sind mobil. Das bedeutet grenzüberschreitender Güteraustausch. Zwischen 1985 und 1997
stiegen die globalen Warenexporte um 180 %.
2. Das Kapital ist mobil. Kapitalanleger und Kreditnehmer drängen jenseits der Grenzen,
um möglichst hohe Renditen und optimale Konditionen zu bekommen. Deshalb sind
nationale Alleingänge, wie von der jetzigen Rot/Grünen Regierung geplant, nämlich
eine zusätzliche Vermögensabgabe einzuführen und durch Aufhebung des Bankgeheimnisses
eine allumfassende Zinsbesteuerung zu ermöglichen, äußerst schädlich für das Kapital und
Direktinvestitionen in den Standort Deutschland.
"Das Kapital ist scheu wie ein Reh" heißt es bei den Bankern.
In dem Zeitraum von 1985 bis 1997 stiegen die Direktinvestitionen weltweit um jährlich 17 %,
nur nicht in Deutschland! Deutsche Firmen investierten in diesem Zeitraum jährlich 35 Milliarden
DM ins Ausland, ohne selbst entsprechendes investives Kapital aus dem Ausland anziehen zu können.
So wundert es nicht, daß in Deutschland insbesondere von Repräsentanten im Spektrum der
Parteienlandschaft immer offener von Arbeitsplatzexport in Niedriglohnländer, Sozialdumping am
heimischen Standort und Ausbeutung der Arbeitnehmer in Niedriglohnländern gesprochen wird.
Dabei muß man nüchtern feststellen, daß es drei Ländergruppen gibt: 1. Länder mit einer negativen
Investitionsbilanz wie z.B. Deutschland und Japan, 2. Länder mit ausgeglichener Investitionsbilanz
wie z.B. Kanada, Schweden, Dänemark und die USA und 3. Länder mit positiver Investitionsbilanz
wie Portugal, Spanien, Irland, Belgien und die USA.
Fragt man nach den Gründen für das schlechte Abschneiden von Deutschland, so liegen die
Antworten auf der Hand:
- zu hohe Sozialstandards
- zu hohe Löhne
- zu hohe Steuern
- zu viel Bürokratie und Regulierung
- zu starrer Arbeitsmarkt.
Es wäre Aufgabe unserer Regierung mit mutigen Reformen den deutschen
Wirtschaftsmarkt aus der Erstarrung zu lösen. Aber was macht man? Man versucht mit
Neidsteuern bei Vermögen und Erbschaft zu retten, was noch an sozialistischer Umverteilung
zu retten ist. Statt Eigenverantwortung, Innovation, Unternehmertum und Wettbewerb zu fördern,
verfällt Rot/Grün in die altverstaubten sozialistischen Ideologien von Gleichheit durch staatliche Umverteilung.
Es ist diese fatale Einstellung, die zu den dramatischen Arbeitsplatzverlusten geführt hat und nicht die
Globalisierung.
Es wird auch immer wieder behauptet, daß mit der Globalisierung es zu einer Entkoppelung
von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung kommt, wobei unterstellt wird, daß der
Produktivitätszuwachs Arbeitsplätze vernichtet. Dabei ist es unter Ökonomen eine Binsenwahrheit,
daß Wirtschaftswachstum sich aus zwei Quellen speist: höhere Produktivität und stärkerer Arbeitseinsatz.
Die Produktivitätszuwächse sind daher keineswegs Job-Killer, sondern
Voraussetzung für steigendes Realeinkommen und damit mehr Arbeitsplätze.
Insbesondere den deutschen Politikern sollte man folgendes ins Stammbuch schreiben:
Es ist ein grundlegender Irrtum anzunehmen, die vorhandene Menge an Arbeitsplätzen sei
weltweit fest vorgegeben. Arbeit ist eine variable Größe, die sowohl im Positiven als auch im
Negativen empfindlich auf wirtschaftspolitische Weichenstellungen reagiert. Wieviel Beschäftigung
es in einer Volkswirtschaft gibt, ist vor allem eine Frage der Rahmenbedingungen. Und hier liegt der
Hase im Pfeffer, denn für Deutschland gilt immer noch, daß durch unflexible Arbeits- und Gütermärkte,
eine überbordende Bürokratie, hohe Arbeitskosten und Steuern sowie übertriebenen Sozialschutz keine
neuen Arbeitsplätze geschaffen werden. Ein Kapitaleinsatz lohnt sich eben nicht in einem solchen Land.
Hinzu kommt, daß in weiten Teilen von SPD, Grünen, PDS und Gewerkschaften eine Strategie verfolgt
wird, den technischen Fortschritt und damit den vermeintlichen Arbeitsplatzabbau künstlich zu bremsen.
Auch dies ist ökonomisch nur eine Scheinlösung, denn alte Wirtschaftsstrukturen und Arbeitsplätze würden
über kurz oder lang dennoch wegfallen, ohne daß neue entstehen können (siehe die fatale Subventionierung
des Bergbaus, bei der der innovativen Wirtschaft weit über 100 Milliarden DM Investitionskapital entzogen wurde).
Die Folgen sind eine Arbeitslosigkeit im Saarland und im Ruhrgebiet von weit über 10 %.
Zum Schluß meiner Ausführungen möchte ich mich noch mit der Behauptung auseinandersetzen:
Durch die Globalisierung sinken die Sozialstandards auf breiter Front; der Sozialstaat ist überall vom
Kahlschlag bedroht.
Richtig an dieser Behauptung ist, daß Sünden in der Sozialpolitik - und die letzte war in Deutschland
die Einführung der Pflegeversicherung als staatliche Zwangsumverteilung; sprich die Entkoppelung von
Beitragsleistung und Inanspruchnahme von Leistungen - heutzutage anders als früher direkt bestraft werden.
Denn höhere Sozialkosten und die Überbeanspruchung der nationalen Verteilungsspielräume mindern
unmittelbar die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Falsch sind allerdings Schuldzuweisungen
an die Adresse der Globalisierung à la Lafontaine, denn der Weg in die sozialpolitische Sackgasse ist
ganz überwiegend selbstverschuldet. Deutschland hat bei den Sozialleistungen immer mehr draufgesattelt,
ohne auch nur im entferntesten an die Folgen für Wachstum und Arbeitsplätze zu denken. In diesem
Zusammenhang fällt jedem sofort der Begriff "Wahlgeschenke" ein, der ja auch nach dieser Wahl wieder
fröhliche Urständ feierte. Das gilt bis zu einem gewissen Maße auch für die alte CDU/FDP-Regierung.
Je Einwohner wurde in Deutschland 1997 15.300 DM für Soziales ausgegeben, ein Drittel mehr als
Anfang der 90er Jahre. Inzwischen ist der Sozialkonsum mehr als anderthalb mal so hoch wie die
wachstumsfördernden Innovationen. Damit ist der Break-Even-Point längst überschritten. Die teuren
Sozialstandards sind zum Sprengsatz für die deutsche Volkswirtschaft geworden.
Wir halten fest: Nicht die Globalisierung ist schuld an der deutschen Beschäftigungsmisere,
sondern die Fehler und Versäumnisse in der nationalen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Arbeitsplätze
zu einem immer knapperen Gut machen.
Die Globalisierung tut nur eins: sie legt den Finger in die Wunde, deckt die aufgestauten Reformdefizite
schonungslos auf.
Erst wenn die Strukturen des Sozialstaates von der permanenten Umverteilung auf die
Globalisierung und damit auf Eigenverantwortung und Wettbewerb ausgerichtet werden,
können effektiv neue Arbeitsplätze entstehen. Ich denke hier an
- zeitliche Begrenzung der Sozialhilfe
- Beachtung des Lohnabstandsgebotes
- Pflicht zur Arbeitsaufnahme usw.
Die Globalisierung der Märkte hat eine neue Epoche in der Wirtschaftsgeschichte eingeleitet.
Was neu und unbekannt ist, ruft unweigerlich Ängste hervor. Angst ist aber in dieser Situation
ein schlechter Ratgeber; denn in der Wirtschaftsgeschichte hat noch jede Öffnung und Integration
der Märkte mittelfristig zu mehr Wohlstand geführt. Das dürfte auch im Zeitalter der Globalisierung gültig bleiben.
Länder, deren Kosten- und Steuerniveau überhöht sind, und deren überbordende
Bürokratie die unternehmerische Initiative erstickt, werden es schwer haben, die zukünftigen
Herausforderungen erfolgreich zu bestehen. Denn die Globalisierung ist die Antwort der Märkte
auf die Strangulierung der Marktkräfte in den Wohlfahrtsstaaten - nicht mehr und nicht weniger.
Der Staat, so die Botschaft, muß sich wieder aus der Wirtschaft zurückziehen und sich auf seine
eigentlichen Aufgaben konzentrierten. Nicht mehr Staat - wie Rot/Grün es will - sondern weniger
Staat ist gefordert. "Deutschland braucht einen Ruck": nannte es unser Bundespräsident Herzog.
Eckhard Brüggemann (28.12.99)
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