Pflegebedürftigkeit: Ein europäisches Problem

In der Europäischen Union muß nahezu jeder 10. über 75jährige rund um die Uhr betreut werden. Weitere 25 % brauchen zumindest zeitweise Hilfe. Und der Bedarf an Pflege wächst weiter, denn die Menschen werden immer älter und der Anteil der Älteren im Verhältnis zu den Aktiven wird immer größer. Stichwort: Auf den Kopf gestellter Lebensbaum.

Da diese Tatsache in allen europäischen Staaten sich kontinuierlich vollzieht, haben auch alle Mitgliedsstaaten ein gemeinsames Problem, sie müssen die Pflege finanzieren und organisieren.

Von einer einheitlichen Regelung sind die Staaten aber noch meilenweit entfernt.

Die älteste Tradition der Langzeitpflege im Rahmen der Gesetzlichen Sozialversicherung haben die Niederlande. Hier wird seit 1968 das Risiko durch die Versicherung gegen besondere Krankheiten (AWBZ) abgedeckt. Die bietet als Volksversicherung allen Bürgern Versicherungsschutz und wird von diesen im Umlageverfahren finanziert - die Arbeitgeber zahlen seit einiger Zeit keine Beiträge mehr.

Die Niederländische Pflegekasse übernimmt nicht nur die Versorgung im Krankenhaus und die Betreuung im Pflegeheim, sondern sie finanziert auch die häusliche Pflege, die Betreuung in Tages- und Nachtpfegeheimen sowie die psychiatrischen Leistungen.

Seit 1995 gibt es in Deutschland auch eine obligatorische Pflegeversicherung. Im Unterschied zu den Niederlanden kann zwischen Geld- und Sachleistungen frei gewählt werden und auch die Finanzierung divergiert in einem wesentlichen Punkt, nämlich: in Deutschland werden die Beiträge je zur Hälfte von den Versicherten und den Arbeitgebern aufgebracht. Ein aus Sicht des Autors absoluter Systembruch, denn Arbeitgeber haben mit der Pflegeversicherung nichts zu tun. Diese Versicherung müßte von den Versicherten allein bezahlt werden.

Nur noch in Luxemburg soll 1999 eine Pflegeversicherung aufgebaut werden, wobei die Finanzierung über Beiträge und Steuern gewährleistet sein soll.

In Österreich besteht seit 1993 ein steuerfinanziertes Pflegegeld aus staatlichen Sozialleistungen. In allen anderen EU-Ländern Irland, Schweden, Griechenland und Belgien läßt die soziale Absicherung des Pflegefallrisikos noch sehr zu wünschen übrig.

Fazit: In der Steuer- und Sozialpolitik muß die EU noch sehr viel Arbeit leisten, um auch nur annähernd zu einer einigermaßen Harmonisierung innerhalb der Europäischen Staaten zu kommen. Das Beispiel der Pflegeversicherung kann hier als exemplarisch gelten.


Eckhard Brüggemann



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