Wohin tendiert unser Gesundheitswesen? Der Versuch eines Blickes in die Zukunft
Die jetzige rot/grüne Regierungskoalition hat ein sozialstaatliches, kollektives Weltbild. Dieses intendiert,
daß diese Regierung zunächst einmal die hausärztliche und die Krankenhausversorgung gewährleisten will,
während der ambulanten spezialistischen fachärztlichen Versorgung nicht eine solche Priorität eingeräumt
wird. Diese Regierung wird auch versuchen, ein epidemiologisch gesteuertes Gesundheitswesen aufzubauen
und ist sich darin bewußt, daß dieses ohne die Hausärzte nicht möglich ist. Dies steht sicherlich im Gegensatz
zu der bisherigen Politik der KBV, was man wiederum auch in der Ausgestaltung der Aktionstage bundesweit
gesehen hat, bei denen hausärztliche Interessen völlig unerwähnt blieben. Dies ist auch der Grund, warum
viele Hausärzte sich an diesem Aktionstag nicht beteiligt haben, und das aus gutem Grund.
Betrachtet man Europa, so werden in naher Zukunft neben der gemeinsamen Währung sicherlich auch andere
Bereiche des Sozialstaates sich angleichen müssen. Dies unter der Prämisse, daß in England ca. 6 % des
Bruttoinlandproduktes (BIP) für die Gesundheit aufgewendet werden, während in Deutschland es nahezu
11 % sind. Ein solches Spannungsverhältnis wird Europa auf Dauer nicht aushalten, deshalb kann nur
vermutet werden, daß sich Deutschland als das teuerste Extrem anpassen muß. Man sollte deshalb bei
Betrachtung der Zukunft von Einsparungen von ca. 25 % für die öffentlichen Gesundheitsausgaben
ausgehen. Das bedeutet, daß Deutschland sich bei 7,5 %, also dem europäischen Durchschnitt, für die
Ausgaben des Gesundheitswesens am Bruttoinlandprodukt einpendeln muß. Dies wird dann drastische
Folgen für das ärztliche Honorar und für die Gesamtstruktur haben. Das bedeutet, daß wir zwar ein streng
reguliertes, aber auch ein besser kalkulierbares System bekommen werden. Die KVen werden in Zukunft
nicht zerfallen, aber doch wesentlich staatsnäher geführt werden.
Für das deutsche Gesundheitswesen bedeutet dies
1. die begrenzten Ressourcen deutlich effizienter einzusetzen als bisher,
2. eine wesentlich effizientere Mittelverwendung mit einer entsprechenden Prioritätensetzung.
3. Epidemiologie und die daraus zu ziehenden Schlüsse werden die zukünftige Versorgung erheblich mehr
beeinflussen als bisher.
4. Auch die Länder müssen einsehen, daß die Kostendämpfung im Krankenhaus stärker als bisher vorangetrieben
werden muß.
5. Die Lösung der Schnittstelle zwischen Hausärzten und niedergelassenen Fachärzten sowie zwischen ambulant
und stationär muß umgesetzt werden.
6. Die KV benötigt für die zukünftigen Aufgaben sicherlich eine neue Struktur, z.B. wie eine Aktiengesellschaft
eine hauptamtliche Geschäftsführung sowie einen Aufsichtsrat, der durch Ärzte bestückt ist.
7. Die Verknappung der Ressourcen wird einen Zwang zur Leistungsausdünnung in der GKV nach sich ziehen,
und dies wiederum wird eine privatrechtliche Zusatzversicherung für den, der es will, notwendig machen.
Dies alles ist zwar noch Zukunftsmusik, jedoch kann es schneller Wirklichkeit werden als der einzelne glaubt.
Eckhard Brüggemann (30.12.1998)
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