1999: Quo vadis Allgemeinmedizin / Hausarzt

Die Hausärzte stehen im Jahre 1999 weiterhin mit dem Rücken zur Wand, ohne daß die ärztliche Selbstverwaltung KV auch nur den Hauch einer Veränderung im Rahmen ihrer politischen Äußerungen in Aussicht stellte.

Im Gegenteil, mit allen Tricks und Finessen wird nach wie vor die Umsetzung der §§ 73 und 76 SGB V: "Der Patient wählt sich einen Hausarzt ... Die ambulante ärztliche Versorgung gliedert sich in eine hausärztliche und fachärztliche" - gemeint ist spezialistische -, verzögert, verschleppt und verhindert.

Mal werden bei Anmahnung des BDA die Krankenkassen, mal die innerärztlichen Umsetzungsschwierigkeiten vorgeschoben. Hinter vorgehaltener Hand heißt es dann: "Eigentlich wollen die Ärzte eine solche Spaltung auch gar nicht!" Hier muß doch einmal nachgefragt werden: "Wer will nicht, und wer spaltet?" Die Hausärzte mit Sicherheit nicht, davon sollte auch der Gesetzgeber bei dem anstehenden Strukturgesetz ausgehen.

"Diese Nuß muß von außen geknackt werden," um mit Kollegen Tetzlaff, dem alten berufspolitischen Haudegen zu sprechen. Aber immer dann, wenn es gegen die Interessen der Spezialisten geht, wird an die "Einheit der Ärzte und Solidarität der Ärzteschaft" appelliert. Siehe bundesweiter Aktionstag 18.12.1998. Hier braucht oder besser mißbraucht man plötzlich die Hausärzte als billige Mitläufer.

In einem Schreiben des Hartmannbundes und der vertragsärztlichen Bundesvereinigung vom 11.12.1998 heißt es: "... mit völligem Unverständnis haben wir die Entscheidung der Vertreterversammlung der KV Saarland aufgenommen, ihre Ärzte am 18.12.1998 nicht in die bundesweite Solidarität einzureihen. Die Praxen sollen im Saarland an diesem Tag nicht geschlossen werden. Dies ist ein Skandal, und sie sollten sich dieses Agieren ihres KV-Vorstandes und der VV nicht gefallen lassen. Wir fordern die Kollegen im Saarland auf, am 18.12. trotz des feigen Votums ihrer eigenen KV die Praxen in bundesweiter Solidarität geschlossen zu halten."

Einen solchen Aufruf machen die gleichen Herren, die den Hausärzten seit Jahren gesetzlich verbriefte Rechte kaltschnäuzig verweigern. Nein, recht haben die Saarländer, denn sie wissen, die politische Praxis ist die leerste und entscheidend für politisches Handeln ist die Solidarität zwischen Arzt und Patient und nicht das Verweigern von Sprechstundenzeiten. So lange aber unsere Patienten glauben, daß die Politiker ihnen mit Nachlaß von 1 DM bei den Zuzahlungen mehr Gutes tun als die Ärzte mit all ihrem Bemühen, werden die Ärzte vergeblich auf die Straße gehen. Wogegen sollte der Hausarzt denn auch demonstrieren oder sich aktivieren?

- Nicht gegen die Schaffung allgemeinärztlicher Weiterbildungsstellen;
- nicht gegen die Einführung eines Wahlprimärarztsystems;
- nicht gegen einen eigenständigen Hausarzt-EBM;
- nicht gegen einen eigenständigen Hausarzt-HVM;
- nicht gegen die Amnestie von Medikamentenbudgetüberschreitungen;
- nicht gegen die in der Regierungserklärung nochmal angekündigte Stärkung der hausärztlichen Versorgungsebene;
- nicht gegen die Einführung von KV-Sektionen, insbesondere einer hausärztlichen.

Der BDA hält auch 1999 gesamtpolitisch, strukturpolitisch und berufspolitisch Linie. Wir bleiben mit der Politik und dem BDM im Gespräch. Wir bleiben mit den kooperationsbereiten Fachverbänden im Gespräch. Wir bleiben mit dem kooperativen Fachkollegen vor Ort im Gespräch.

Aber eins tun wir nicht mehr, wir lassen uns nicht mehr vor einen gesamtärztlichen Karren spannen, wenn nicht die berechtigten Forderungen zur Strukturreform der ambulanten ärztlichen Versorgung im Sinne des BDA bedient werden. Denn eins sollte allen klar geworden sein: vordergründig geht es um Versorgungsqualität und Honorar, tatsächlich treibt viele Spezialisten die Angst um, diese Regierung könne endlich "Nägel mit Köppen" machen und innerhalb einer echten Strukturreform den Hausarzt wieder ins Zentrum der Patientenbetreuung rücken.

Dies ist der wahre Grund für die markigen Sprüche in den Aufrufen zum Aktionstag:
- Kampfansage an die niedergelassenen Ärzte
- Kampfansage an die Mittelständler im Gesundheitswesen
- Mogelpackung, Blindflug, Haftungssummen
- systemverändernde Wirkung
- Rationierung von Leistungen - Regreßrisiko
- 100 000 Arbeitsplätze gehen verloren.

Tatsache ist, alle Bereiche im Gesundheitswesen bedürfen einer strukturellen Runderneuerung, insbesondere auch die hausärztliche, fachärztliche und ambulante Versorgung am Krankenhaus sowie die Wertigkeiten ihres Beziehungsgeflechtes (nachgeordnete Zuständigkeiten).

Der BDA ist zuversichtlich, in der neuen Regierung einen offenen kooperativen Gesprächspartner zu finden, um zu vernünftigen Lösungen für alle Beteiligten zu kommen. Das gilt auch für unsere Patienten und Fachkollegen.

Hausarzt statt Rationierung, das ist die Leitlinie der BDA-Politik für 1999.


Eckhard Brüggemann (18.12.1998)



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