Die neue Regierung und die gesundheitspolitischen Vorstellungen

In einem ersten Schritt hat die neue Bundesregierung und federführend das Bundesgesundheitsministerium unter Leitung von Frau Fischer von den Bündnisgrünen folgenden zeitlichen Rahmen für die gesundheitspolitischen Entscheidungen vorgelegt:

1. ein 100-Tage-Programm bis zum 31.12.1998
2. ein gesundheitspolitisches Vorschaltgesetz bis zum 31.12.1999 und danach soll
3. ab 2000 die echte Strukturreform im Gesundheitswesen erfolgen.

Gegen einen solchen zeitlichen Rahmen und gegen ein solches zeitliches Vorgehen ist eigentlich nichts einzuwenden, wenn denn dann die tatsächlich anstehenden Entscheidungen angepackt werden. Aber schon bei den ersten Veröffentlichungen über die "Grausamkeiten" des ab 01.01.1999 geltenden Vorschaltgesetzes scheint es so zu sein, daß die rot-grüne Koalition offensichtlich nahezu alle GKV-Reformen der alten Koalition kippt:

1. Das ärztliche Honorar und die Arzneimittel bleiben zunächst bis Ende 1999 sektoral budgetiert. Erst danach - also ab 2000 - soll ein Globalbudget für das gesamte Gesundheitswesen folgen.
2. Es soll eine Positiv-Liste eingeführt werden, deren Ausgestaltung noch nicht klarliegt.
3. Die Zuzahlungen zu den Arzneimitteln werden schon ab 01.01.1999 auf 8, 9 und 10 DM abgesenkt. Für chronisch Kranke soll die Zuzahlung gänzlich abgeschafft werden.
4. Die Kostenerstattung wird grundsätzlich in der GKV abgeschafft.
5. Die Arzneimittelbudgets bleiben bestehen, Richtgrößen werden abgeschafft.
6. Die im SGB V vorgesehene Ablösung der rigiden Honorar-Budgets durch Regelleistungsvolumina wird gestrichen. Es bleibt also zunächst bei der stringenten Budgetierung.
7. Die Selbstbeteiligung der Patienten zur Psychotherapie wird gestrichen.
8. Der Zahnersatz wird wieder Sachleistung und
9. trotz Förderung des Hausarztes soll es bei der freien Arztwahl - was immer man auch darunter verstehen mag - bestehen bleiben.
10. Selbst eine Eingrenzung des Gebrauches der Chipkarte soll es nicht geben.
So weit bisher die Veröffentlichungen, wobei man fairerweise sagen muß, Änderungen können sich noch ergeben.

Dennoch sei es erlaubt, schon zu einem so frühen Zeitpunkt einige Fragen aus Sicht der Hausärzte zu stellen:

- Wenn die Zuzahlungen der Patienten abgesenkt bzw. total entfallen, wie sieht es dann mit der Gegenfinanzierung aus? Oder sollen das wieder etwa die Ärzte bezahlen?
- Muß bei bestehenden Budgets die Deckungslücke durch die Leistungserbringer aufgebracht werden?
- Bei den sektoralen Honorarbudgets wird der Honorarabstand zwischen neuen und alten Bundesländern bestehen bleiben. Ist das so gewollt?
- Welche Bestrafung soll bei Überschreitung der Arzneimittelbudgets insbesondere in den neuen Ländern erfolgen?
- Zur Stärkung des Hausarztes - wie ja so vollmundig vor den Wahlen verkündet wurde - sind jetzt schon getrennte Hausarzt-/Facharzt-Gesamthonorarbudgets geplant?
- Wie steht es mit der vor der Wahl propagierten Sektionierung der KVen?
- Wie steht es mit Wahlrechtsänderungen zu den VVen (Verhältniswahlrecht)?
- Wie steht es mit der paritätischen Besetzung der Vorstände?
- Wie steht es mit einem eigenen Hausarzt-EBM und HVM?
- Wie steht es mit der verpflichtenden Einführung eines Wahl-Hausarzttarifes?
- Wie steht es mit der Forderung der Ausdeckelung der Prävention und Drogenpolitik bei rigidem Budget?

Man wird das Gefühl nicht los, daß auch in der Gesundheitspolitik nach dem Motto verfahren wird: "Wasch' mir den Pelz, aber mach' mich nicht naß". Mutige Schritte nach vorn, insbesondere in Richtung auf Beseitigung des Versorgungschaos im ambulanten Bereich sind noch nicht zu erkennen. Hier wird noch viel Aufklärungsarbeit durch den BDA-Bundesvorstand geleistet werden müssen. Ansonsten kann der Hausarzt nur hoffen, daß diese Bundesregierung zu den von ihr im Vorfeld der Wahl gemachten Aussagen auch weiterhin steht.


Eckhard Brüggemann (15.11.1998)



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