Das Ende des Schlaraffenlandes Bundesrepublik Deutschland naht
Zu den Schwächen in der deutschen Wirtschaft
Allen kurzfristigen wirtschaftlichen Erholungen zum Trotz bescheinigt das World Economic Forum (WEF)
aus Genf im Ranking von 53 Ländern mittel- bis langfristig der Bundesrepublik eine düstere Wachstumsprognose.
Im Rahmen der Schwachstellenanalyse der Wirtschaft nimmt Deutschland weitestgehend nur noch Plätze im
hinteren Drittel ein:
Einkommensteuer: 40
Umweltbestimmungen: 41
Steuersystem: 47
Arbeitslosenversicherung: 49
Mindestlöhne: 50
Kündigungsschutz: 51
Einfluß der Gewerkschaften: 51
Arbeitsmarktflexibilität: 51
Staatliche Subventionen: 51
Körperschaftssteuer: 51
Damit ist auch klar, daß Deutschland trotz einiger Verbesserungen in den letzten Jahren, z.B. Lohnfortzahlung,
kleine Rentenreform, Krankenversicherung, tatsächlich kaum vom Fleck gekommen ist.
Zwei Schwachstellen werden dabei durch solche internationale Vergleiche schonungslos offengelegt:
- die Rolle des Staates,
- der unflexible Arbeitsmarkt.
Lediglich bei den variablen Wirtschaftsfaktoren brilliert Deutschland. Diese sind aber für das Wachstum eher
zweitrangig. Das schwache Abschneiden bei Staat und Arbeitsmarkt ist aber entscheidend.
Ein zweites Institut, nämlich das International Institut for Management Development (IMD) aus USA hat mit
anderen Methoden Deutschland übrigens in genau den gleichen Bereichen schwere Mängel nachgewiesen.
Hierbei ist es bezeichnend und wenig tröstlich, daß Italien und Frankreich die gleichen Probleme plagen.
Sie liegen noch hinter Deutschland.
Auch beim Steuersystem, Subventionen und öffentlichen Ausgaben schneidet das Ländertrio schlecht ab.
Die von der SPD absichtlich aus wahltaktischen Gründen blockierte Steuerreform läßt grüßen.
Noch etwas lähmt Deutschland permanent. Es ist die weitverbreitete Meinung, wir benötigten mehr soziale
Gerechtigkeit, wobei diese nur durch staatliche Zwangsumverteilung über Steuern und Soziallasten garantiert
werden könnte. SPD, Grüne und Gewerkschaften sitzen hier einem fundamentalen Trugschluß auf.
Die Forscher des World Economic Forums widerlegen dieses Vorurteil. Eine höhere Wettbewerbsfähigkeit geht
keineswegs zu Lasten der Gleichheit. Ganz im Gegenteil. Gerade in Ländern, die ein deutliches Wachstum
verzeichnen, wachsen die unterschiedlichen Einkommen mit ungefähr der gleichen Geschwindigkeit.
Eine offene Gesellschaft muß bereit sein, Menschen wie Bill Gates ihren Reichtum zu gönnen, denn als
Todfeind eines dynamischen Wandels entpuppt sich das für die Bundesrepublik Deutschland so typische
überzogene soziale Gerechtigkeits- (gemeint ist Gleichheits-) Konsensdenken. In diesem Zusammenhang
sei besonders an den von der SPD erneut geplanten Pakt für Arbeit zu erinnern.
Aber das Lösen der Probleme im Konsens endet leider nahezu immer im kleinstmöglichen gemeinsamen
Nenner. Das wiederum ist weder die bestmögliche Lösung noch bringt es die Gesellschaft nach vorne.
Reformstau und Blockade sind die Folge einer solchen staatlich geförderten Kartellisierung.
Arbeitgeber - Gewerkschaften
Regierung - Opposition
Kommunale Verwaltung - Öffentlicher Dienst
Kassenärztliche Vereinigungen - Krankenkassen
Der Faden von blühenden Kartellen ließe sich beliebig weiterspinnen. An Wolle wird es nicht fehlen. Wenn
aber Konsens nichts anderes mehr bedeutet, als daß wir nichts tun können, wenn auch nur ein Bauer oder
Kumpel weniger Geld als im Vorjahr bekommt, sind die europäischen Wohlfahrtsstaaten Deutschland, Frankreich
und Italien nicht überlebensfähig.
Verweichlichung, Degeneration und mangelnde Kraft haben in der Geschichte immer den Untergang von
Kulturen besiegelt. Warum sollte es heute anders sein. In Deutschland sind Reformen in allen gesellschaftlichen
Bereichen erforderlich. Exemplarisch sollen einige wenige herausgegriffen werden. Ich darf aus der Broschüre
"Für ein attraktives Deutschland" des Bundesverbandes der deutschen Industrie zitieren: "Die wettbewerbsfähige
Gesellschaft hat viele Facetten: Bildung und Wissen, ein schlankes Gemeinwesen, Umweltbewußtsein und hohe
Energieeffizienz, Mobilität, Innovationsbereitschaft, die Nutzung neuer Informationstechnologien und vieles mehr.
Sie baut auf Weltoffenheit und Vertrauen in die Chancen der Zukunft."
Zwar braucht die Bürgergemeinschaft neben der Dynamik von Markt und Wettbewerb die verbindenden Kräfte
der Solidarität und des sozialen Schutzes, aber grundsätzlich hat Eigenvorsorge vor Gemeinvorsorge, also
Subsidiarität und Bürgernähe vor Solidarität und staatlicher Umverteilung zu gehen.
Anonyme soziale Sicherungssysteme verleiten zum Ausnutzen im großen Stil, da die notwendigen Kontrollen
meist fehlen oder auch unmöglich sind. Die Korruption bei Subventionen und Sozialleistungen in der
Bundesrepublik Deutschland sprechen Bände.
Deshalb sollte der Staat zwar ein Mindestmaß an sozialer Sicherung für die absolut existentiellen Bedrohungen
durch eine solidarisch finanzierte Pflichtversicherung bieten, zu der jeder seinen Beitrag leistet. Aber mit einer
vermeintlich demokratisch legitimierten Ausbeutung der Leistungseliten, wie es immer wieder von den Linken
propagiert wird - und damit der Verfestigung des Umverteilungsstaates - werden wir die Zukunft nicht meistern.
Nur das Nachhaltigkeitsprinzip garantiert die Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit von Staat und Gesellschaft
für die kommenden Generationen.
In einer solidarischen Gesellschaft bedeutet Chancengleichheit oder -gerechtigkeit nicht die Gleichheit am Ziel
sondern am Start. Dies muß man allen Bildungspolitikern ins Stammbuch schreiben, die immer noch auf
Vermassung des Abiturs, die Niveauabsenkung und eine für jedermann ohne spezifische Qualifikation zugängige
Universität setzen. 50 % Studienabbrecher sind ein beredtes Zeugnis dieses Unsinns.
Masse war noch nie Klasse und schon gar nicht Elite, die schon immer der Hauptträger des Fortschritts war. Wir
brauchen deshalb mehr Wettbewerb an den Universitäten für alle Beteiligten: Professoren, Assistenten und
Studenten, wobei das Thema Studiengebühren flankiert von einem effizienten Bafög und Stipendien nicht
ausgeschlossen werden darf. Das Abitur muß nach 12 Jahren abgelegt werden können, die Regelstudienzeit
nach 8 Semestern beendet sein. Dabei ist ein Ausmisten der Lehrpläne und liebgewordener Privilegien
unumgänglich.
Auf die sozialen Sicherungssysteme möchte ich im einzelnen nicht zu sprechen kommen, das habe ich in meinem
Festvortrag anläßlich der Weihnachstkneipe 1997 schon getan. Deshalb nur noch kurz etwas zur
Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe.
Die Dauer und Höhe des Arbeitslosengeldes muß befristet und so bemessen werden, daß Einkommensrisiken
aus vorübergehender Arbeitslosigkeit abgemildert und die Zeit der Suche nach neuer Arbeit überbrückt
werden. Oberstes Ziel aber muß die Rückkehr ins Beschäftigungssystem sein.
Die Sozialhilfe als letztes Netz darf nur den wahrhaft Bedürftigen gewährt werden. Die Arbeitsfähigen
aber - und hiervon gibt es mehr als man gemeinhin wahrhaben will - müssen konsequent auch als Gegenleistung
für die Stütze zu kommunaler Arbeit herangezogen werden. Die Ablehnung angebotener Arbeit ist finanziell zu
sanktionieren, aus meiner Sicht bis hin zum Arbeitszwang.
Alle diese Fragen hängen ursächlich mit dem Problem des überbordenden Staates zusammen. Nicht die Bürger
gehören dem Staat, sondern der Staat den Bürgern. Damit steht fest, daß die Menschen so viel wie möglich
selbst regeln müssen und nur das absolut Notwendige dem Staat überlassen dürfen. Vertragsfreiheit, Märkte
und Wettbewerb heißt die Zauberformel der Selbstregelung.
Die Ziele zu einem solchen, freiheitlichen, liberalen und sozialen Rechtsstaat sind im folgenden definiert:
- Der Staat zentriert sich auf seine hoheitlichen Aufgaben: Recht, Ordnung und Sicherheit.
- Der Sozialstaat steht ausnahmslos für Bedürftige bereit, aber Eigenvorsorge wird selbstverständlich erwartet
und gefördert.
- Dadurch können die Bürger und damit auch die Betriebe bei Abgaben und Steuern entlastet werden.
- Das Steuersystem wird wieder wettbewerbsfähig.
- Die Verantwortlichkeiten von Bund und Ländern werden, auch finanziell klar voneinander abgegrenzt.
- Der Öffentliche Dienst wird in weiten Bereichen privatisiert und dort, wo er bestehen bleibt, empfindet er sich
als Dienstleister des Bürgers.
Fazit:
Der schlanke Staat, der sich nicht damit übernimmt, allen Menschen in seinen Grenzen ein sorgenfreies
Leben im Wohlstand zu garantieren, wird kraftvoll seine originären Aufgaben erfüllen.
Der schlanke Staat wird sich auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren und damit verringern sich auch
seine Ausgaben. Die allgemeine Steuerbelastung kann deshalb spürbar gesenkt werden. Ein übersichtliches
und allgemein verständliches Steuersystem wird von seinen Bürgern akzeptiert.
Der schlanke Staat wird die exorbitante Verschuldung von 2,5 Billionen DM zurückführen, da seine Bürger
erkennen, daß die Steuerzahlungen nicht von ineffizienten Verwaltungen und verkrusteten staatlichen Strukturen
verwandt werden. Durch deutlich niedrigere Steuersätze wird die Steuerehrlichkeit erheblich gefördert.
Der schlanke Staat wird den Anteil an der Schul- und Hochschulpolitik, der besser in den Bundesländern geregelt
und finanziert wird, auch dort belassen. Hier werden dann die einzelnen Hochschulen um die besten Bedingungen
in Lehre und Forschung konkurrieren, ohne daran durch die Forderung nach "Einheitlichkeit der
Lebensverhältnisse" gehindert zu werden. Auch hier mehr Wettbewerb.
Der schlanke Staat wird den Öffentlichen Dienst entrümpeln und effektiver gestalten. Ganze Bereiche entfallen,
Hierarchiestufen werden abgeschafft, lean Management zieht ein.
Der schlanke Staat wird sich überhaupt von allen Aufgaben trennen, die in privater Hand besser erledigt werden.
Das Streben, alles und jeden zu reglementieren, hört auf.
Der schlanke Staat wird die Fehlentwicklungen des Föderalismus korrigieren durch
- Klare Abgrenzung der Kompetenzen von Bund und Ländern.
- Klare Abgrenzung der Einnahmen und Ausgaben und Zurückstutzen des horizontalen Finanzausgleichs der
Länder auf das unbedingt Notwendige. Dadurch werden die tatsächlichen Verantwortlichkeiten wieder hergestellt.
- Im schlanken Staat ist der freie Bürger wieder souverän und nicht ausgebeuteter Knecht. Hier sei an den alten
deutschen Seefahrerspruch erinnert: Lieber tot als unfrei.
In den nächsten 10 Jahren müssen die Bürger der Bundesrepublik Deutschland den Zielkonflikt zwischen mehr
kollektiver Verteilung und damit Abhängigkeit oder mehr individueller Freiheit und damit Eigenverantwortung lösen.
Hierbei muß der Bürger sich massiv einmischen, der Politik allein darf diese existentielle Entscheidung nicht allein
überlassen bleiben.
Ich möchte mit den Worten von Herrn Professor Horst Siebert, Präsident des renommierten Kieler Instituts für
Weltwirtschaft und Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung enden:
Eine stärkere Verteilungsorientierung lähmt die wirtschaftlichen Kräfte und läßt den volkswirtschaftlichen
Wohlstand niedriger ausfallen, bis hin zur Erosion der gesamtwirtschaftlichen Effizienz bei einer forcierten
Umverteilung. Sie kann darauf hinweisen, daß sich über mehr wirtschaftliche Dynamik der Spielraum für
Verteilung und Beschäftigung in der Zukunft verbessert. Was kurzfristig als Zielkonflikt erscheint, braucht
langfristig kein Konflikt zu sein, wenn es auf Dauer allen besser geht. Klar muß jedoch sein, daß eine
Erhöhung des Kindergeldes, wie von der SPD gefordert, kein Investitions- und Innovationsanreiz ist.
Verehrte Gäste, liebe Bundesbrüder, und hierbei meine ich ganz besonders unsere Jugend, also die unter
40 jährigen, insbesondere Ihr seid gefordert, Euch aktiv in die Belange des Staates, also der Gemeinschaft
aller Bürger einzumischen und einzubringen. Es gilt also nicht nur, verantwortungsbewußt eine Familie zu
gründen und entsprechend zu begleiten, verantwortungsbewußt seinen Beruf auszuüben, sondern darüber
hinaus auch für die Gemeinschaft sich zur Verfügung zu stellen. Mein Anliegen war es, dies noch einmal
Ihnen bzw. Euch klarzubringen.
Eckhard Brüggemann (1.7.98)
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